Ausstellungen,  Mitglieder,  Polizei

POLIZEI und KUNST – Gerlinde Walheim und Georg Andrae

In einem Interview der ZEIT vom 12.07.2018 mit den zwei bildenden Künstlerinnen Rosa Loy und Neo Rauch sagt sie, dass wir lieber die Nächstenliebe füttern sollten als Ängste diskursiv mit Energie aufzuladen; er sagt, Kunst sei absichtslos und dürfe nicht irgendwelchen Zwecken dienen. In der „Brüsseler Erklärung zur Freiheit der Kunst“ – auf change.org als Petition initiiert von MdB Claudia Roth in der KW 29/2018 – heißt es: „Kunst ist frei, sie muss nicht gefallen und sie darf nicht dienen.“


Polizei und Kunst. Sollte es da einen Zusammenhang geben? Ein Polizeiposten als RAUM für Kunst! Wir erwarten Kunst im Museum, in einer Ausstellung im Rathaus, in der Galerie, im Atelier, im öffentlichen Raum… Wer heute den Polizeiposten Renningen betritt und künftig betreten wird, muss mit KUNST rechnen.

Es ist ein völlig neues Format. „Das dürfte sich im gesamten Bundesgebiet nicht noch einmal finden“, meinte die anwesende Vertreterin der Presse anlässlich eines kleinen Empfangs in den Räumen der Polizei in Renningen am 19. Juli 2018. Den Bediensteten hinzugesellt hatten sich auf Einladung ihres Leiters, des Herrn Frank Bollinger, der Dienstvorgesetzte aus Ludwigsburg, Herr Zerrenius, von der Stadt Renningen der Erste Beigeordnete, Herr Peter Müller, und die Kulturreferentin, Frau Sandra Feigl – und zwei Künstlerinnen.
Hier ist eine Idee Herrn Bollingers im Zusammenwirken mit der Stadt Renningen und dem Kunstforum Renningen e.V. Wirklichkeit geworden. Es ist keine Kunstaus-stellung, es war auch keine Vernissage.
Im Kunstforum sind über 30 Künstlerinnen organisiert. Zwei davon sind nun mit ihren Arbeiten erstmals in die Sphäre des Polizeipostens Renningen eingedrungen. Für Soziologen beginnt Freundschaft da, wo zwei Menschen in die Sphäre des jeweils anderen eindringen (StZ vom 18.07.2018 Seite 3 „Unten rechts“). „Das lassen wir gerne auch für Institutionen und Organisationen gelten“, meinte Georg Andrae in seinem Statement als Künstler. Denn dann hat in diesen Tagen zwischen der POLIZEI in Renningen und dem Kunstforum Renningen e.V. eine Freundschaft begonnen.
Gerlinde Walheim zeigt abstrakte Malerei in Acryl auf großem Format, Georg Andrae zeigt abstrakte Fotografie und Haiku (und „Abendstimmung am Renninger See“, ein unverkäufliches Aquarell von 1974). Anfang September werden sie von zwei anderen Künstlerinnen abgelöst. Fortlaufend sollen nach Ablauf von jeweils etwa drei Monaten immer zwei Künstlerinnen mit ihren Arbeiten zum Zuge kommen.
An diesem ungewöhnlichen Ort tritt weniger das künstlerische Werk, sondern vielmehr der Betrachter ins Blickfeld. Der Künstler tritt in den Hintergrund, die Künstlerin verzichtet auf Titel- und Preisangaben auf ihren Arbeiten. Es geht nicht um Öffentlichkeit. Wie frauman sehen und erkennen kann, überlässt Gerlinde Walheim je eines ihrer großformatigen Werke in den Dienstzimmern den einzelnen Beamten. Hier geht es nicht um den Kunstkonsum des eiligen Ausstellungsbesuchers, nicht um den flüchtigen Blick im Vorbeigehen. Die Beamten treffen hier nicht länger auf sterile weiße Wände, sondern betreten zum Dienstbeginn auf von moderner Kunst und von Farbe bestimmte Räume, auf Kunst, die während des Arbeitstages die Atmosphäre prägt. Hier lebt der Betrachter mit der Kunst tagein, tagaus – und mit der Aussicht auf Abwechslung!


Polizei und Kunst. Kunst, die dient, den Staatsdienern dient. Die Künstler, deren Werke hier wirken, sind frei. Frei in ihrem Stil, frei in Thematik und Aussage, frei im Entstehungs- oder Malprozess. Von niemand behindert, bestimmt oder instrumentalisiert. Und darum sind sie auch so frei, mit ihrer Kunst an diesem Ort dem Gemeinwesen zu dienen. Vor etwa sechs Wochen als die beiden Künstlerinnen ihre Bilder gehängt hatten, waren die anwesenden Bediensteten des Polizeipostens Renningen sichtlich begeistert. Ja mehr noch – frauman hat noch nie so glückliche Polizisten gesehen!
Das hat gesamtgesellschaftliche Bedeutung.

Fotos: Sandra Feigl Text: Georg Andrae
Bericht als PDF